Mercedes-Benz 250 SE Cabriolet

«Die Inspiration – der alkoholfreie Rausch.»

Alexander Otto Weber, (1868 – nach 1927), deutscher Schriftsteller

 

An dieser Stelle präsentiere ich im lockeren, monatlichen Rhythmus ausgewählte Sammlerstücke aus der ISELI COLLECTION. Es sind Fahrzeuge, die nicht im Verkauf sind. Es geht vielmehr darum, dem Liebhaber von Klassiker-Fahrzeugen einzelne Preziosen zu präsentieren – und zu inspirieren.

«Die W 111 Coupé und Cabriolets sind zwei der gelungensten Wagen in der Geschichte des Automobils.»

Bruno Sacco, Mercedes-Benz Stilist/Designer von 1958 bis 1999, ab 1975 Leiter Stilistik, 1987 Direktor Design.

Auto des Monats Oktober 2020

Mercedes-Benz 250 SE Cabriolet

Modellgeschichte:

Es waren die besten Jahre der Nachkriegszeit in Deutschland: die 1960er Jahre. Der Wirtschaftsaufschwung war phänomenal und so produzierte man Luxusgüter, auch in der Automobil-Industrie.

Abstammend von der berühmten Heckflosse (viertürige Oberklasse-Limousine, die 1959 eingeführt wurde) mit der internen Bezeichnung W111, präsentierte Mercedes-Benz am 24. Februar 1961 ein Coupé und im September 1961 das Cabriolet. Beide wurden mit einem 2,2-Liter-Motor (Modell 220) ausgestattet. Im September 1965 kamen die Modelle 250 SE Coupé und Cabriolet mit dem 150 PS starken Mercedes-Benz M129 der Baureihe W108 heraus. Sie erhielten, wie auch die Dreiliter-Modelle, die 14-Zoll-Räder und die grösser dimensionierten Scheibenbremsen der Oberklasse-Limousinen, nun mit Scheibenbremsen auch an den Hinterrädern. Unter Insidern sind diese Modelle als «Hochkühler» bekannt. Die 250er wurden bis Dezember 1967 gebaut und anschliessend vom 280 SE auch mit 3,5 Liter-Motor unter der Typbezeichnung 280 SE 3.5 abgelöst. Wegen Anpassungen an der Karosserie und Frontkühlermaske mit geringerer Bauhöhe sind sie auch als «Flachkühler» bekannt. Parallel wurde von Februar 1961 bis Juli 1965 der 300 SE (W112), auch als SEL mit Luftfederung, gebaut.

Sowohl die Cabriolet- wie auch die Coupé-Varianten der Baureihe W111 entstanden in Handarbeit. Da es die letzten Modelle sind, die bei Mercedes überhaupt in Handarbeit gefertigt wurden, ist ihnen neben ihren optischen Vorzügen auch firmenhistorisch ein Sonderstatus garantiert. Aufgrund der aufwendigen Produktion waren die gefertigten Stückzahlen überdies sehr niedrig ganz im Gegensatz zum damaligen Verkaufspreis. Von allen Varianten der Baureihe W111 wurde das 250 SE Cabriolet in der geringsten Stückzahl gebaut. Es entstanden lediglich 954 Exemplare.

Für mich stellt dieses Mercedes-Modell eines der schönsten Cabriolets dar, die überhaupt gebaut wurden.

Hinweis: Im Film «Wo die Liebe hinfällt …» wird ein braunes 250 SE Cabriolet von Beau Burroughs (alias Kevin Costner) gefahren.

Zum Wagen

Gemäss Produktions-Datenkarte der Daimler AG verliess der Wagen am 20. Dezember 1965 das Werk in Sindelfingen. Er wurde an die Niederlassung Berlin ausgeliefert. Der Erstbesitzer hatte in der Südschweiz ein Feriendomizil und brachte den Wagen folglich in die Schweiz. Nach drei Jahren verkaufte er den Wagen, um ein neueres Modell zu erwerben. Der Wagen gelangte nach Morgarten am Ägerisee im Kanton Zug. Der Zweitbesitzer (Jahrgang 1911) fuhr mit dem Wagen in elf Jahren gerade mal etwas über 8.000 Kilometer. Einmal nur durfte er das Verdeck öffnen, seiner Angetrauten war es viel zu windig.

Am 22. August 1981 kaufte ich den Wagen. Ich bin der dritte Eigner. In den bald 40 Jahren Besitzzeit erlebte ich unzählige schöne Fahrten, Momente und Reisen. Fahren mag zwar die richtige Bezeichnung sein, Schweben wäre passender.

Das Mercedes 250 SE Cabriolet hat mich nie im Stich gelassen. Ob Fahrten über Schweizer Pässe, entlang vieler Seen, nach Deutschland, Italien und mehrfach an die Côte d’Azur – alles lief stets reibungslos. Es ist ein absolutes Qualitäts-Produkt – was die heutigen Autos schlichtweg nicht mehr sind. Die Technik ist sehr dauerhaft und robust. Der Komfort ist unbeschreiblich. Man fühlt sich frei und wohl, nicht eingezwängt wie bei heutigen Autos. Seit gut fünf Jahren besitze ich ein 250 SE Coupé mit Baujahr 1967 und kann auch für diesen Wagen meine Aussagen betreffend Qualität und Komfort absolut bestätigen.

Mag sein, dass Kenner einen «Flachkühler» insbesondere ein 280 SE 3.5 Modell bevorzugen. Klar: Er ist wegen der Weiterentwicklung, der Motorisierung und der Ausstattung das Nonplusultra. Doch mein 250 SE Cabriolet möchte ich keinesfalls missen. Es ist bei jeder Fahrt, als schwebe man auf Wolke 7.